Frau Doktor und das liebe Vieh

Eine Frau, ein Aussiedlerhof und eine Rinderherde

„Ich wollte schon im Alter von 16 Jahren Rinder haben", erinnert sich Sigrid Keweloh mit einem Schmunzeln. Alles begann mit einem Besuch bei ihrem Onkel in Kanada. „Ich war damals alles andere als ein Freund von Rindfleisch. Wir waren beim Essen und ich wollte ein Schweinesteak haben. Aber mein Onkel bestellte für mich ein Rindersteak und das schmeckte mir so gut, dass ich in diesem Moment begann, mich für Rinder zu interessieren." Aus dem Interesse wurde schnell der Wunsch eigene zu haben; bis daraus jedoch Realität werden sollte, vergingen viele Jahre. Sie studierte Humanmedizin, lernte ihren Mann kennen, gründete mit ihm eine Familie, bekam vier Söhne und wurde Ärztin. Tief in sich hatte sie jedoch immer diese besondere Liebe zu Rindern. „Das ging soweit, dass ich mit 20 die Zeitschrift 'Fleischrinder´ abonnierte und alles las, was mit Rassen, Zucht und Nutzung zu tun hatte." Auch wenn der Wunsch und das Interesse an der eigenen Herde immer da waren, die Bahnen ihres Lebens verliefen zunächst einmal in eine ganz andere Richtung. Bis sie 2007

 

eher zufällig einen Artikel über Wagyu-Rinder in die Hände bekam. Fasziniert von der japanischen Rasse, setzte sie alles daran, einen Züchter ausfindig zu machen. „Ich fand einen Hof in Holland, hatte auch schon einen Termin vereinbart, der sich dann aber zerschlug und nie zustande kam." Als sie und ihr Mann das Jahr darauf in Australien waren, schlossen sich die Kreise endgültig. „Ich aß dort mein erstes Stück Fleisch vom Wagyu-Rind." Von da an war sie nicht mehr aufzuhalten. „Ich wusste, dass diese Rinder und ich  zusammengehören."

Sigrid Keweloh suchte und fand Wagyu-Rinder, überzeugte einen Landwirt davon, ihre Tiere bei sich im Stall unterzustellen und dann ging alles recht schnell. Vor über sieben Jahren kaufte sie die ersten Tiere, das erste Kalb ließ nicht lange auf sich warten. Es folgten weitere und ohne es sich zu versehen, hatte sie schnell eine kleine Herde, die weiter wuchs. Aus diesem Umstand ergab sich eine zwingende Frage: Wohin mit den Rindern? „Mir war klar, ich brauche einen eigenen Hof. Aber wo

 

bekommt man den her. Zwei Jahre suchten mein Mann, ein befreundeter Landwirt und ich, bis wir schließlich in Abtsgmünd-Untergröningen genau das Passende für die Herde und mein Vorhaben gefunden haben." Der große Aussiedlerhof, der abgelegen und nur über einen Privatweg erreichbar ist, entspricht ganz und gar ihren Vorstellungen. Umgeben von Weiden, die den Rindern sowohl Futter liefern als auch genügend Auslauf ermöglichen, Stallungen und dazu ein ausgedehnter Gebäudetrakt. Seit viereinhalb Jahren bewirtschaftet sie den Hof, zur Herde gehören inzwischen rund 50 Tiere.

Die Tiere aus ihrer Zucht sind genetisch reinrassige Wagyu-Rinder, was selten und damit eine Besonderheit ist. Erst vor 40 Jahren kamen wenige Rinder der aus Japan stammenden Rasse zu Forschungszwecken nach USA. Zwischen 1993 und 1997 erlaubte Japan den Export der Wagyu, was übersetzt schlicht und passend „japanisches Rind" heißt. Das bekannte Kobe-Rind ist von seiner Rasse übrigens auch ein Wagyu, darf allerdings nur dann als Kobe-Rind bezeichnet und gehandelt werden, wenn es in der Region um Kobe geboren, aufgezogen, gemästet und geschlachtet wurde. Der Export von Wagyu-Fleisch aus Japan nach Europa ist erst seit 2014 erlaubt. Lebende Tiere, Sperma und Embryos sind inzwischen in Japan Kultur­erbe und dürfen das Land nicht mehr verlassen. Bis dahin gab es nur wenige Herden in den USA und Australien, die von Tieren stammten, die zu wissenschaftlichen Zwecken exportiert wurden. In Deutschland gibt es derzeit rund 150 Züchter. Sigrid Keweloh ist nicht nur eine davon, sondern auch im Vorstand des Wagyu-Ver­bandes und ausgebildete Fleisch-Sommelière. Für den Aussiedlerhof mit seinen Stallungen und Wirtschaftsgebäuden hat sie ein umfassendes Konzept erarbeitet und ihm den Namen Haru Wagyu Hof gegeben. (Haru bedeutet Frühling auf Japanisch). Das Fleisch verkauft sie an Restaurants der Region und andere Abnehmer, über Kochkurse und weitere Veranstaltungen vor Ort arbeitet sie unermüdlich daran, den Kreis der Wagyu-Liebhaber ständig zu vergrößern. Das Fleisch nicht nur auf das Filet zu reduzieren, ist eines ihrer großen Anliegen. Für so gut wie jedes Stück hat sie eine schmackhafte Verwendung. Rouladen, Schmorbraten, Kurzgebratenes, Hackfleisch oder Abschnitte und Knochen als Basis für Saucen und Suppen. Kreativität ist gefragt – und die hat sie zweifelsohne, nicht nur beim Kochen. „Der Hof, die Herde, das kostet alles Geld und man möchte und kann schließlich nicht immer drauf zahlen. Also war klar, wir müssen das auch vermarkten, was wir haben." Die Konsequenz daraus ist unter anderem die riesige Hofküche. Die hat sie komplett renoviert, und lädt nun regelmäßig zu Fleischseminaren oder Kochkursen ein und stellt sie für Firmenfeiern, Hochzeiten und andere Familienfeste zur Verfügung. Im ehemaligen Wohnhaus befinden sich Ferienwohnungen sowie Gästezimmer und die große überdachte Terrasse bietet genügend Platz für beispielsweise Hochzeitsempfänge.

 

 „Es war von Anfang an klar, dass wir wegen unserer Kinder nicht auf dem Hof leben werden, dass er sich aber tragen muss. Deshalb haben wir neben der Rinderzucht das Konzept auf Hochzeiten und Veranstaltungen ausgelegt und den Hof entsprechend umgebaut und renoviert." Neben der großen Küche, die auf rund 20 Personen ausgelegt ist und dem einladenden Außen­bereich gibt es zudem einen Saal für bis zu 80 Personen. Stilvoll auf dem Land feiern, ungestört sein, nur umgeben von Feldern und Wäldern. Dazu die Möglichkeit, das Fleisch von Tieren zu genießen, die artgerecht gehalten, Zeit hatten heranzuwachsen und so eine unvergleichliche Fleischqualität ausbilden konnten. Sigrid Keweloh hängt mit ihrem ganzen Herzen am Öchsenhof, und der Zucht „Haru Wagyu" – und sie ist überzeugt vom überragenden Geschmack und der Qualität. „Wir geben nur Futter aus der Region, unsere Tiere bekommen keine Wachstumsbeschleuniger und sie haben zu allen Jahreszeiten genügend Auslauf. Die Aufzucht dauert zwischen drei und vier Jahren; diese Zeit braucht es, damit das Fleisch seinen besonderen Geschmack bekommen kann." Im Vergleich zum Aufwand ist die Fleischausbeute verhältnismäßig gering, weshalb der Preis entsprechend höher ist. Die schwarzen Wagyu-Rinder haben eine weniger ausgeprägte Hinterpartie, ein Tier bringt deshalb „nur" zwischen 300 und 400 Kilo Schlachtgewicht. Das Fleisch ist zart und saftig, was dem intramuskulärem Fettanteil geschuldet ist. Feine Fettadern sorgen für die charakteristische Marmorierung und den Genuss, außerdem ist das Fleisch reich an Omega-3 und Omelga-6 Fettsäuren. Dass die Rinder reinrassige Wagyus sind, darauf legt Sigrid Keweloh großen Wert. „Es gibt viele Rinder, die als Wagyu bezeichnet werden, aber genetisch nicht reinrassig sind. Ich habe mich entschlossen, auf die Merkmale der Rasse in der Zucht  besonderen Wert zu legen, deshalb tragen wir das Label „Fullblood Wagyu", so die Züchterin. Da es nicht genügend Zuchttiere gibt, stehen bei ihr unter anderem auch fünf Jersey-Rinder im Stall. „Diese Jersey-Rinder sind Leihmütter. Der Tierarzt pflanzt ihnen reinrassige Wagyu-Embryos ein, so erhalten wir die Ursprünglichkeit dieser besonderen Rasse und stärken den Fortbestand."

Wer Sigrid Keweloh und ihre Rinder erlebt, der weiß, warum sie jedes Tier liebt, für ihre Arbeit brennt, sie ein gutes Stück Fleisch zu schätzen weiß und sich nicht vorstellen kann, Vegetarierin zu sein. Hätten Zufriedenheit und Glück ein Gesicht, wäre es wahrscheinlich das von Sigrid Keweloh.

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