In unseren Herzen die Welt

Das Romandebut des Aalener Autors Virgil Kane

Ein Strichmännchen auf signalrotem Grund das kopfsteht. Die Arme ausgebreitet, hängt an einem seiner Beine ein Herz, das einem Luftballon ähnelt und das Männchen in der perfekten Schwerelosigkeit zu halten scheint. Wer das Buch „In unsern Herzen die Welt" von Virgil Kane gelesen hat, der betrachtet das Bild auf dem Buchcover mit anderen Augen und kommt unwillkürlich zu der Frage: ist immer alles so, wie es sich auf den ersten Blick darstellt?

Auf knapp 700 Seiten erzählt er die Geschichte von vier Menschen, die augenscheinlich zunächst nicht alle etwas miteinander zu tun haben. Phil verliert nach einem Zusammenbruch in einem Club sein Gedächtnis; seine langjährige Beziehung zerbricht, dafür kommt eine ungeahnte musikalische Begabung zu Tage. Kathy ist alleinerziehend, Rechtsanwältin und verursacht aus Sorge um ihr Kind einen Unfall mit weitreichenden Folgen. Viktor ist der Sohn aus gutem Hause, der, aus seiner persönlichen Situation und seiner Begeisterung für Technik heraus, einen bizarren Plan verfolgt. Und Pete ist Psychologe, schwul, begeisterter Biker, abgeklärt und dennoch überfordert, als er im Rollstuhl landet. Im Laufe des Romans verknüpfen und verweben sich die persönlichen Geschichten der vier. Viktor wird mehr und mehr zur zentralen Figur, bis die Handlung in einer Katastrophe gipfelt. Ein Sanatorium in der Schweiz brennt bis auf die Grundmauern nieder, Victor van Pelt kommt darin ums Leben.

Der Untertitel „Die Van Pelt Protokolle" gibt einen Hinweis auf das, was das Buch ausmacht: der gekonnte Perspektivwechsel. Die vier Protokolle sind vier Lebensgeschichten, erzählt über mehrere Jahrzehnte bis zur aktuellen Gegenwart.

 

Mal aus der Ich-Perspektive, mal in direkter Ansprache zum Leser, mal schnoddrig, betont lässig oder verzweifelt, ab und an auch aufgesetzt – aber immer so, dass man sich oder sein Umfeld darin finden kann und immer mit dem Schluss: Jede Entscheidung, ob bewusst oder unbewusst getroffen, hat Auswirkungen. Im Buch zeigen sich diese Auswirkungen direkt oder zweitverzögert und sie bringen alle Helden auf verschiedene Weisen an den Punkt, an dem sie nicht weiterkommen. „Seien es körperliche Handicaps, technische Probleme oder einfach die Schranken, die ihnen ihre Denkweisen auferlegen. Wir alle stecken irgendwo fest. In unseren Körpern, unseren Leben, in dem Netzwerk, das um uns her entstanden ist, gewollt oder nicht", so der Autor. Das finale große Feuer, auf das die Handlung, wie von unsichtbarer Hand gelenkt, zusteuert, relativiert und setzt auf null. Virgil Kane schreibt seit 25 Jahren Kurzgeschichten, viele davon sind mit Preisen ausgezeichnet. Mit „In unseren Herzen die Welt", hat er im August seinen ersten Roman veröffentlicht. Nach ausführlicher Recherche hat er noch einmal zwei Jahre daran geschrieben, bevor der Roman nun bei Books on Demand in Norderstedt erschienen ist. Die Geschichte sorgt nicht nur durch die verschiedenen Personen für Abwechslung, sie wechselt

 

auch leichtfüßig das eine oder andere Mal das Genre. Krimielemente finden sich genauso wie welche, die einen Thriller aus dem Bereich der Weltverschwörung vermuten lassen, ebenso wie es zwei vielschichtige Liebesgeschichten und einen Handlungsstrang gibt, der an die klassische Tragödie von Sofokles angelehnt ist. Dass die verschiedenen Stile immer nur ein Teil des Ganzen sind, dass Themen mitunter aufgebaut, dann aber nur gestreift und manchmal schneller erzählt werden als man erwartet, ist gewollt. „Auch wenn Personen und Handlung frei erfunden sind, ich wollte aus dem Leben von Menschen erzählen. Und im richtigen Leben gibt es eben immer von allem etwas, weil unsere Leben manchmal düster und schwer scheinen, oft genug aber bunt sind und leicht."

Das Buch ist bei Books on Demand erschienen, einem Verlag für Selfpublisher. Es ist über den Buchhandel oder über die verschiedenen Onlineportale als Taschenbuch oder E-Book erhältlich. Die Entscheidung, das Buch selbst zu verlegen stand für Virgil Kane schnell fest. „Ich wollte das Buch so haben, wie es mir gefällt; Text, Layout und Cover sollte meine Handschrift tragen. Das Buch ist genauso geworden, wie ich es mir vorgestellt habe." Auf die naheliegende Frage, ob man ohne ein Lektorat nicht das Risiko eingeht amateurhaft zu wirken, kontert er:

 

„Ich glaube, jedes Buch sucht sich sein Publikum selbst. Meines wird hoffentlich Leser finden, denen die Verpackung weniger wichtig ist als die Story. Das ist wie beim Wein: Manche legen Wert auf die Flasche und das Etikett, andere genießen einfach den Inhalt." Wer der Versuchung dennoch nicht widerstehen kann, auf einen Tippfehler hinzuweisen, der kann die Plattform auf seiner Homepage www.virgilkane.de nutzen. Dort finden sich auch weitere Infos, Leserstimmen und Links.

Der Roman „In unseren Herzen die Welt" ist etwas für Leser, die von einem Buch mehr als nur eine gut erzählte Geschichte erwarten. Die 688 Seiten sind voll von Zitaten aus der Musik-, Film- und Kunstgeschichte, die für Menschen ab 40 ein hohes Erinnerungspotential haben. Technikbegeisterung kommt ebenso durch, wie die Kritik an den Möglichkeiten der Digitalsierung, verbunden mit der Aufforderung genau hinzusehen und das Ganze hinter der vermeintlichen Wahrheit zumindest sehen zu wollen. „Die Kernaussage des Buches ist leicht formuliert: Wir alle haben ein Leben, das irgendwann einmal zu Ende sein wird, ganz gleich, was wir schon erfunden haben und noch erfinden werden. Unsere einzige tatsächliche Aufgabe ist es, glücklich zu sein und zwar so oft wie möglich. Mag die Welt auch in unseren Köpfen entstehen, so liegt sie doch nicht darin was wir erfinden oder denken. Die Welt liegt in unseren Herzen."