Bündnis gegen Menschenhandel und (Zwangs-) Prostitution gegründet

aufklären, bewusstmachen und helfen

Helena, eine junge Kellnerin aus Prag, die mehr schlecht als recht den Lebensunterhalt für sich und ihre kleine Tochter verdienen kann, lernt einen Gast kennen, der schnell beginnt, mit ihr zu flirten und ihr den Hof zu machen. Sie ist zunächst zurückhaltend, glaubt aber schließlich an seine Gefühle und folgt ihm ins Ausland. Dort zeigt er schnell sein wahres Gesicht. Er nimmt ihr den Pass ab, sie wird wie andere Mädchen auch erniedrigt, zusammengeschlagen und missbraucht um ihren Willen zu brechen. Die Szene aus dem Film Human Trafficking entspricht der Realität. Hunderttausende, in erster Linie Frauen, erleiden ein ähnliches Schicksal. Sie werden getäuscht, verschleppt, verkauft und zur Prostitution gezwungen. Diese Frauen landen in den wohlhabenden Teilen der Welt, unter anderem in Deutschland. „Neben dem Verkauf von Drogen und Waffen ist Menschenhandel das profitabelste kriminelle Geschäft. Diese Frauen müssen Unvorstellbares erleiden und wer denkt, das betrifft nur Großstädte, der täuscht sich. Auch in den Bordellen der Region gibt es viel zu viele Frauen, die dort

 

unfreiwillig arbeiten." Claudia Köditz-Habermann, die derzeitige Club-Präsidentin von Soroptimist International Aalen/Ostwürttemberg, engagiert sich gemeinsam mit 30 Frauen des Clubs seit fünf Jahren gegen Menschenhandel und Sexsklaverei. Anfang Oktober setzte der Club in Zusammenarbeit mit dem VfR Aalen, der Stadt Aalen, dem Landratsamt, Ostalbkreis und vielen weiteren Unterstützern regional und überregional ein Zeichen und sie gründeten das Bündnis gegen Menschenhandel und (Zwangs-)Prostitution.


Der Club Aalen/Ostwürttemberg hat Partnerschaften mit Soroptimistinnen im rumänischen Arad und Temeschwar. Seinen Anfang nahm das Projekt 2013 mit einem Besuch bei den Clubs in Rumänien. Zwei Jahre später hielt Manfred Paulus, Kriminalhauptkommissar a.D. aus Ulm, viele Jahre zuständig für die Bereiche organisierte Kriminalität und Menschenhandel, auf Initiative von Soroptimist, SOLWODI (Solidarity

 

with women in distress) und dem Eine Weltladen, einen Vortrag an der VHS Aalen. Thema war die „Ware Frau", die Methoden der Menschenhändler, die in erster Linie junge Frauen aus Osteuropa in die Bordelle nach Deutschland schleusen. „Das Schicksal dieser Frauen, von denen viele aus Rumänien kommen, hat uns sehr bewegt und wir haben deshalb noch an diesem Abend beschlossen, über den Kontakt zu unseren Partner-Clubs in Rumänien, vor
Ort junge Menschen über die Methoden der Menschenhändler aufzuklären." In den letzten drei Jahren waren Claudia Köditz-Habermann, Aalener Soroptimistinnen und Manfred Paulus in Arad, Temeschwar und Kronstadt vor Ort. „Die wirtschaftliche Situation in Rumänien ist sehr schwierig, junge Menschen auf dem Land und in armen Gegenden haben so gut wie keine Perspektiven, es gibt ganze Landstriche, die von Armut geprägt sind und die Folgen der Ceauescu-Diktatur sind auch 30 Jahre später hier immer noch zu sehen und zu spüren. Der Unterschied zwischen Arm und Reich in Rumänien ist sehr groß." Die Migrationsbereitschaft der jungen Menschen ist deshalb sehr hoch. Angeworben mit falschen Versprechungen, in westlichen Ländern als Fotomodell oder in der Gastronomie Geld verdienen zu können und der Armut zu entkommen, locken Menschenhändler sie in eine Falle, aus der es kaum ein Entkommen gibt. „Unsere Aufklärungskampagnen setzen aus genau diesem Grund in den Schulen an. Gemeinsam geht es uns zum einen darum die Methoden der Schleuser und sogenannten Loverboys, also jungen Männern, die den Frauen Liebe vortäuschen und sie dann zur Prostitution zwingen, aufzudecken. Zum anderen ist es uns ebenso wichtig, zu zeigen, dass in Deutschland und anderen westlichen Ländern nicht alles Gold ist was glänzt." Dass viele Frauen aus dem Menschenhandel überproportional in Deutschland landen, liegt auch an der liberalen Gesetzgebung. Das Prostitutionsgesetz, das 2002 erlassen wurde, um die Frauen zu schützen und sie aus der Illegalität zu holen, hatte genau das Gegenteil bewirkt. Man erkannte das schon in 2007, brauchte aber nochmals weitere zehn Jahre (Juni 2017 trat das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft) für eine Novellierung, die nach wie vor wenig gelungen ist und in der Praxis für alle Beteiligten unzureichend umzusetzen ist.
„Während in anderen europäischen Staaten Prostitution verboten ist, sind die entsprechenden Gesetze hier so liberal, dass Zuhälter und Schleuser deshalb auf Deutschland ausweichen und so Deutschland zum Bordell Europas gemacht haben."

 

Nach drei Jahren Aufklärungsarbeit direkt vor Ort, weiten die Frauen von Soroptimist International Aalen/Ostwürttemberg ihr Engagement auf die Region und in Zusammenarbeit mit anderen entsprechenden Hilfsorganisationen, besonders auf ganz Deutschland aus. „Solange die Nachfrage aus Deutschland da ist, werden in Rumänien und anderen osteuropäischen Staaten Frauen hierher verschleppt. Es geht uns darum, diesen Zusammenhang offen zu legen. Rund 90 Prozent der Frauen, die in Bordellen arbeiten, stammen aus Osteuropa und zu fünf Prozent aus anderen Ländern. Diese Frauen verstehen unsere Sprache nicht und kennen unsere Gesetze nicht. Man hat ihnen die Pässe abgenommen, sie nehmen Drogen um sich zu betäuben und die Situation zu ertragen und sie sind fast alle Opfer von Gewalt. Die Frage nach der Freiwilligkeit ist eine Farce. Auch Armutsprostitution ist nicht freiwillig. Im Schnitt haben diese Frauen eine 40mal niedrigere Lebenserwartung. Sie begehen Selbstmord, werden ermordet oder sterben an ihrem Drogenkonsum. Den Männern, die Bordelle besuchen, ist das meistens nicht bewusst und genau deshalb wollen wir hier über das Schicksal und die Hintergründe dieser Frauen aufklären." Bewusstmachen, das Thema in die Öffentlichkeit tragen und Zusammenhänge aufzeigen, so das Ansinnen von Claudia Köditz-Habermann und Soroptimist Aalen. Mit der Gründung des Bündnisses gegen Menschenhandel und (Zwangs-)Prostitution am 5. Oktober setzten die Frauen des Club Aalen Ostalb von Soroptimist International mehr als ein Zeichen. „Wenn man ein Bündnis eingeht, geht man auch eine Verpflichtung ein. Wir wollen Organisationen regional und überregional untereinander vernetzen. Unser Ziel ist es aufzuklären, sowohl vor Ort als auch dort, wo Prostitution nachgefragt wird, wir wollen Frauen noch mehr Hilfen anbieten, diesen Teufelskreis zu verlassen und wir kämpfen dafür, dass die Gesetze geändert werden." Menschenhandel und (Zwangs-)Prostitution ganz zu unterbinden, da ist Claudia Köditz-Habermann realistisch, wird wohl nie möglich sein. Für sie und die Soroptimistinnen geht es darum, das möglichst weit einzugrenzen. „Wir haben in Rumänien bisher viele Mädchen und auch Jungs erreicht und sie damit vielleicht vor dem Weg von der Not ins Elend bewahrt. Jetzt weiten wir unsere Arbeit auf die Region aus, indem wir aufklären und bewusstmachen. Jede Frau, die nicht verkauft wird und in der Zwangsprostitution landet, ist ein Erfolg."