Vom Glück einen Garten zu haben

Alexandra Haag und ihre Leidenschaft

Nur ein paar Minuten mit dem Fahrrad oder dem Auto von der Aalener Innenstadt entfernt liegt im Teilort Nesslau in der Hahnenbergstraße 61 ein Ort, der genau das hält, was er verspricht: „Garten Glück“. Auf der Straße von Unterrombach nach Hammerstadt geht es nach der Kirche rechts ab, die Straße wird schmäler, die Häuser kleiner und rarer. An dem Sträßchen entlang, das unmerklich zum Weg zusammenschrumpft, erstrecken sich Wiesen, Felder und Weiden. Kurz bevor das, was landläufig als Zivilisation gilt, zu enden scheint, kündet ein Schild an einer Scheune vom „Garten Glück“ und Willkommensschilder winken einen herein ins Reich von Alexandra Haag. Unter schattenspendenden Bäumen steht eine Bank mit gemütlichen Kissen und auf dem Gartentisch, der von vier Stühlen eingerahmt ist, zeugt eine Kaffeetasse vom letzten Päuschen.

Der Garten ist eine blühende Oase in dessen üppiger Schönheit Rosenbögen und Steinstatuen stehen und dem Gesamtbild etwas Märchenhaftes geben. Alexandra Haag, die in Aalen geboren ist, lebt seit 1979 in dem Haus, das inmitten all der blühenden Pracht steht und zu dem noch rund 8000 Quadratmeter Wald, Wiesen und Weiden gehören. Vor Jahren haben sie und ihr Mann das Haus renoviert und umgebaut und sich ihr Zuhause geschaffen.


„Zu unserem Zuhause gehören zwei Gänse, zwei Schafe, vier Katzen und unser Hund Paul“, erzählt sie mit einem Strahlen in den Augen. Der knapp zwei Jahre alte Ungarische Hütehund aus dem Tierheim folgt ihr wann immer es nur geht, stets aufgelegt zum Spielen, auch wenn ihr nicht der Sinn danach steht. „Im Sommer grabe ich Löcher – fragen Sie nicht wie viele. Die 60 Rosenstöcke, die ich im Garten habe, sind alle selbst gepflanzt. Wenn ich die Rosen dazu rechne, die in den letzten Jahren eingegangen sind, dann sind es gefühlt unendlich viele Löcher.“ Auch wenn es jedes Mal mit einem steinigen Kampf verbunden ist, bis ein Rosenstock seinen Platz im Garten findet, die Blüte und der Duft der teils englischen Rosen entschädigen im Mai und im Juni für alles. „Die meisten blühen nur einmal im Jahr. Im Mai und im Juni sieht man dann fast nur noch Rosen. Ein Anblick, der mich jedes Mal aufs Neue immer wieder begeistert und berührt.“ 

 

 

Wenn die Rosen verblüht sind, sorgen Hortensien und Funkien, die, im Gegensatz zu den Rosen, den Schatten lieben, für blühende Akzente. Unter Bäumen, abgeschirmt von Sträuchern oder im Schatten des Hauses entfalten sie bis in den September hinein ihre ungeahnte filigrane Blütenschönheit in Weiß und Rosa. „Im Garten zu arbeiten, den zu gestalten, zu sehen wie alles wächst und sich daran freuen, das war schon immer das, was ich gerne gemacht habe“, erzählt sie. Zur Leidenschaft wurde es allerdings erst, als sie den Garten ihrer Schwiegermutter sah und den typischen Englischen Garten für sich entdeckte: Nicht zu viele verschiedene Pflanzenarten, dafür gerne verschiedene Sorten und Farben von einer Art – alles aufeinander abgestimmt und mit kleinen Steinfiguren, Bänken, Bögen und Spalieren akzentuiert und subtil in Szene gesetzt. Hinterm Haus, von der Straße nur zu erahnen, erstreckt sich ein kleiner Park, der das Auge schwelgen und die Seele durchatmen lässt.  

Vor drei Jahren hat sie ihren Garten geöffnet. „Ich wollte meinen Garten mit Menschen teilen. Und weil immer wieder einer gefragt hat, wo ich die Steinskulpturen, die Gartenmöbel oder die Rosen her habe, habe ich begonnen, das eine oder andere über meine Quellen, die ich im Laufe der Jahre gefunden habe, zu bestellen.“ Nach und nach ist sie so zu einem Geheimtipp unter den Gartenliebhabern der Region geworden.

„Ich habe vieles ausprobiert und musste mich auch von vielem wieder verabschieden, weil ich hier nicht das passende gefunden habe. Inzwischen weiß ich, wo ich was bekomme. Die Rosen sowie die Steinskulpturen sind aus England und die Holzstühle kommen von einem kleinen Familien-unternehmen aus Finnland.“Vor einiger Zeit hat sie Susanne Boerner kennengelernt, von ihr stammen die bunten Frauen- und Tierfiguren aus Keramik, die sich überall finden. Wenn Alexandra Haag sich nicht gerade um den Garten, das liebevoll renovierte Haus oder die Tiere kümmert, arbeitet sie als Pharmazeutisch technische Angestellte in einer Apotheke in Unterrombach. „Ich liebe meinen Garten, genauso liebe ich aber auch meinen Beruf. Ich habe tolle Kollegen und die Arbeit ist abwechslungsreich.“ 

Zweimal die Woche, immer freitags und samstags hat sie ihren Garten für Besucher und Interessierte geöffnet, im Mai und im Oktober lädt sie zu einem Gartentag ein. Auf Wunsch bepflanzt sie Körbe sowie Stein- oder Holzwurzelschalen, und nicht selten trennt sie sich von dem einen oder anderen Lieblingsstück. „Alles, was im Garten ist, das habe ich mit Liebe ausgesucht und deshalb gebe ich es nur ungern her. Auf der anderen Seite habe ich so wieder Platz für Neues. Das Gleiche wieder nachkaufen kommt nicht in Frage. Bei mir gibt es alles nur einmal.“

 

Während der Garten rund ums Haus einen Englischen Park zum Vorbild hat, legt sie auf anderen Teilen des Grundstücks Wert darauf, dass Wildbienen, Hummeln und andere Insekten genügend Nahrung und Unterschlupf finden, ebenso wie das Gänsepaar und die beiden Schafe einen Teil des Grundstückes ihr „Zuhause" nennen dürfen. „Schon mein Großvater hatte Schafe. Ich kann es mir gar nicht anders vorstellen. Allerdings sind es jetzt nur noch zwei Schafe. Klauen schneiden und Schären ist ganz schön viel Arbeit", sagt sie. Ihr Blick in Richtung Schafweide lässt jedoch ahnen, dass, wenn es der Zufall wollte, hier auch mehr Schafe oder andere Tiere einen Platz zum Leben finden würden. „Wir haben auch schon einen Raben aufgepäppelt. Wenn mein Mann mich nicht bremsen würde, dann hätten wir hier allerlei Tiere." Wer bei Alexandra Haag eintritt, dessen Blick ist zunächst von all dem gefangen, was der Garten rein optisch zu bieten hat. Dann nimmt das Unterbewusstsein die Liebe wahr, die darin steckt und macht schließlich dem Bewusstsein klar, was es für eine Bereicherung ist, all das als Gesamtes wahrnehmen zu können. „Ich liebe meinen Garten. Am liebsten würde ich ihn erweitern, vielleicht um die Schafweide. Mal sehen. Es ist wie eine Sucht", erklärt sie und man kann sie verstehen, auch wenn man keinen Garten hat.