Fantastische Tierwelten

19. März – 16. Juli 2023 Kunstmuseum Heidenheim

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In ihrer ersten gemeinsamen Ausstellung widmen sich das Kunstmuseum und die Historischen Museen Heidenheim dem Tier. Der Fokus liegt dabei auf hybriden Wesen, animalischen ­Gottheiten und Darstellungen, in denen Tiere in artuntypischen Situationen zu sehen sind.

Die mehrere Jahrhunderte umspannende Auswahl an rund 80 Objekten, Gemälden, Skulpturen, Repliken, Druckgrafiken und Installation zeigt den kreativen Erfindungsreichtum von Kunstschaffenden über die Geschichte hinweg und lässt Rückschlüsse auf menschliche Bedürfnisse und einen jeweiligen Zeitgeist zu. Denn Darstellungen fiktiver und fantastischer Tierwesen sind meist kein reiner Selbstzweck. Sie dienen dem Menschen als Symbol, Verweis oder Sinnbild.

Der Rundgang beginnt im Kleinen Wechselausstellungssaal mit Objekten aus den historischen Sammlungen der Stadt. Am Anfang stehen Repliken bekannter eiszeitlicher Funde. Betrachtet man diese Zeugnisse früherer Kulturen, so wird schnell auffällig, dass die Menschen in der Regel nicht sich selbst, keine Bäume oder andere Naturerscheinungen darstellten. Ihr Interesse galt im Wesent­lichen Tieren.

 

Ob diese Bildwerke nun reiner Zeitvertreib, mit magischem Denken verbunden waren oder als Talisman und Trophäen dienten, darüber können wir heute nur spekulieren. Klar wird anhand von ihnen jedoch eine enge Verflechtung vom Menschen zu dessen tierischer Umwelt.

Es folgen Werke aus anderen Kulturkreisen, speziell aus der Indischen Sammlung Alfred Meebolds. Masken, tierische Gottheiten und Schutztiere verweisen auf einen Aspekt, der in der christlichen Kultur zu weiten Teilen verlorengegangen ist: die Verbindung zwischen der Gött*­innenwelt und Tieren.

Mit dem Christentum wurden die Sphären stärker getrennt: Das Tier wurde entweder zum Opfertier, zur Referenz oder zum Symbol. Zu nennen sind hier etwa das Lamm Gottes oder der Fisch als Zeichen christlichen Denkens. Fiktive und fantastische Schöpfungen spielten kaum noch eine Rolle und wenn, dann waren sie negativ behaftet. Man findet etwa Monster und Ungeheuer in Darstellungen des Jüngsten Gerichts oder der Unterwelt. Bisweilen sind sie auch Antagonisten der Heiligen, was in der Ausstellung am Beispiel des Gemäldes Simson zerreißt den Löwen oder einer Skulptur des Heiligen Michaels mit Drachen zu sehen ist.

 

 

Im 19. Jahrhundert zeigte sich ein langsames Comeback des Fantasiewesens. Märchen, Parabeln und Gruselgeschichten erlauben die (literarische) Darstellung sprechender Tiere, traumhafter Wesen und anderer kreativer Auswüchse. Diese Tendenz schlägt sich auch bald in den bildenden Künsten nieder, etwa im Symbolismus und Jugendstil. Das Gebäude des Kunstmuseums Heidenheim zeigt dies deutlich. An der Fassade des Museums sind wunderliche Wasserwesen, eine personalisierte Sonne, Greife und andere Fabelwesen zu sehen. Im Inneren nimmt ein Brunnen die Gestalt eines Meeresungeheuers an. Die westeuropäische Faszination am Fantastischen zeigt sich auch daran, dass Alfred Meebold, wie viele andere Zeitgenossen, um 1900 seine Samm­lung asiatischer Objekte anlegte.

Der anschließende Rundgang im Hugo-Rupf-Saal beginnt mit einem Kabinett mit „Vätern" der Thematik. In den klassischen Avantgardebewegungen und der vornehmlich von abstrakten und neuen Tendenzen geprägte, westeuropäischen Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg sind Tiere eher Nebenerscheinungen. Hier sind es vor allem surrealistische und mit dem Surrealismus assoziierte Künstler, die in diesem Kontext interessant sind. Pablo Picasso, Marc Chagall und Joan Miró repräsentieren drei unterschiedliche inhaltliche Richtungen im Umgang mit fantastischen Tierwesen und Fabelwesen. Zwei konträre Positionen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nehmen HAP Grieshaber und Bernhard Schultze ein.

Auftakt für die Werke aktueller Kunst bildet eine Replik des Löwenmenschen. In gewisser Weise ist dieser der Prototyp für vieles, was im weiteren Verlauf der Ausstellung Thema sein wird: eine Verbindung von Mensch und Tier sowie hybride Wesen.

 

 

Im Wesentlichen lassen sich zwei zentrale Thematiken in der Schau verfolgen. Auf der einen Seite stehen Arbeiten, vornehmlich Gemälde, in denen fantastische Tiergestalten genutzt werden, um auf biografische oder gesellschaftliche Themen einzugehen. Sophia Süßmilch, Oska Gutheil, Eckart Hahn, Juliane Hundertmark und Deborah Sengl nutzen tierische Wesen, um Themen wie Identität, gesellschaftliche Missstände oder Weiblichkeit zu thematisieren.

Auf der anderen Seite der Ausstellung stehen Arbeiten von Kunstschaffenden, die mit ihren Werken Kritik am ausbeuterischen und speziestischen Verhalten des Menschen in der Gegenwart üben.
Hartmut Kiewert, Tanja Fender, Böhler & Orendt oder Wolf J. Gruber zeigen auf je eigene Art und Weise, wie problematisch unser Umgang mit Tieren als Beute oder Ressource heute ist.

Am Ende der Ausstellung zeigt Mary-Audrey Ramirez eine raumgreifende Installation, in der organisches, humanes und animalisches zu einer futuristisch anmutenden Einheit verschmolzen wird und so durchaus Unbehagen, auch hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen, hervorruft.

 

Öffnungszeiten
Di – So 11.00 – 17 Uhr
Mi 13.00 – 19.00 Uhr