Buchtipp: Die Wunderzelle

Der Roman des Aalener Gynäkologen und Reproduktionsmediziners Dr. med. Rainer Rau

Über den Autoren

Dr. med. Rainer Rau, Jahrgang 1962, ist Facharzt für Gynäkologie und Reproduktionsmedizin. Er leitet in Aalen eine Kinderwunschklinik, die er 1997 gegründet hat. Rainer Rau lebt in Heidenheim, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Wunderzelle ist sein erster Roman.

Rund 800.000 Kinder kamen 2017 in Deutschland zur Welt. Rein statistisch kommen somit auf eine Frau 1,6 Kinder – wohlgemerkt rein statistisch! Denn nicht immer folgt auf den Kinderwunsch auch der Kindersegen. Dr. med. Rainer Rau ist Facharzt für Gynäkologie und Reproduktionsmedizin und leitet seit 22 Jahren in Aalen die Kinderwunschklinik. Seit er 1997 die Klink eröffnete, hat er tausenden von Paaren zu Nachwuchs verholfen, hochgerechnet kommt er auf rund 12.000 Kinder. Größte Freude und tiefste Verzweiflung – zwei Extreme, die in der Kinderwunschklinik jeden Tag sehr eng beieinander liegen. Das persönliche Schicksal, auf natürliche Weise keine Kinder bekommen zu können und die Hoffnung, mittels modernster Medizin das zu beheben. Dem Mediziner, der verheiratet ist und selbst zwei erwachsene Kinder hat, ist aus diesem Bereich so gut wie nichts Menschliches fremd. Vor diesem Hintergrund hat er einen Roman geschrieben, der vor kurzem erschienen ist. Die „Wunderzelle", so der Titel seines Erstlingswerkes.

Alle Personen sowie die Rahmenhandlung des Romans sind frei erfunden. Nicht aber die menschlichen Geschichten und die medizinischen Fakten. Beides gibt dem Roman eine leicht zu lesende Mischung aus emotionaler Tiefe und fundiertem Hintergrundwissen. Aus der Geschichte von Katharina und Enno, die sich ein Kind wünschen, entspinnt sich eine schier unglaubliche Handlung, die aber gut nachvollziehbar ist. Denn statt die Schwangerschaft zu erleben, sich auf die Geburt des Kindes und das Leben zu dritt danach vorzubereiten, müssen die beiden immer wieder Fehlgeburten hinnehmen. Auf der Suche nach den Ursachen, kommt ein Verdacht auf, der genauso schockierend ist, wie er kriminelles Potential hat. Sowohl Ennos, als Katharinas Eltern haben die Hilfe einer Kinderwunschklinik in Anspruch genommen – zufällig ein und dieselbe. Ein Biologe hat dem Erfolg nachgeholfen und gegen Extrazahlungen das teilweise Unmögliche möglich gemacht. Er tauschte Eizellen, beziehungsweise Sperma aus und verhalf so den Paaren zu Kindern und der Klinik zu einer überdurchschnittlichen Erfolgsrate.

Daraus entspinnt sich eine Geschichte, die sich gut nachvollziehen lässt. Teilweise ist die Entwicklung vorhersehbar, teilweise gibt es Wendungen, die durchaus überraschen. Das medizinische Hintergrundwissen des Romans gewährt einen Einblick, den sonst nur kinderlose Paare haben und eröffnet gleichzeitig Dimensionen die Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und in der letzten Konsequenz auch Grenzen betreffen. Der Roman besticht durch seine schöne Sprache, nimmt mit und schafft es gerade deshalb, dass man mitfühlen kann, was in den einzelnen Personen vor sich geht. Auch wenn sich zum Schluss die Geschichte so verdichtet, dass man aufpassen muss, wer wohin gehört, ist es ein Lesevergnügen. Angesichts des kriminellen Potentials und der sich daraus ergebenden Zusammenhänge, kommt unwillkürlich im letzten Drittel immer wieder die Frage auf:

wie mag das wohl ausgehen? Unerwartet, soviel sei verraten. Bis zur letzten Seite bleibt der Roman seinem Stil treu. Rainer Rau erweitert mit seinem Buch „Die Wunderzelle" den Blick auf ein Thema, das viele betrifft. Die kursiv gedruckten Kapitel, die die Geschichte der beteiligten Personen aus medizinischer Sicht erzählt, vermitteln verständlich geschrieben, die verschiedenen Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten. Für die 242 Seiten braucht es ein ruhiges Wochen­ende zum Lesen. Die Nachwirkung, die das Buch und die Geschichte haben, ist langanhaltend. Es sensibilisiert für die Bandbreite aller Gefühle, die mit dem Thema Kinderwunschbehandlung einhergehen, kriminelle Machenschaften inbegriffen. Es relativiert aber auch und macht den Zwiespalt begreifbar, vor dem Menschen stehen können: helfen, auch wenn es so nicht erlaubt ist.